Bahnhof Gotha
Am Gothaer Hauptbahnhof.

Mittwoch: Der Zug nach Frankfurt ging gegen 19:34 ab.

Nach einer Nacht in der Jugendherberge traf ich gegen 7:15 am Flughafen ein und hatte nach den üblichen Kontrollen beim Verlassen des Schengenraums auch gar nicht mehr viel Zeit im Transitbereich herumzuwarten, da der Flug gegen 8:15 pünktlich losging. Es war sehr bewölkt und so gab es trotz Fensterplatz fast nichts zu sehen. Kurz vor neun nach Ortszeit landete ich in Birmingham International. Mein Koffer war einer der ersten, so dass ich sehr schnell ins Vereinigte Königreich einreisen konnte. Nun musste ich natürlich erstmal schnell im Flughafen-WIFI den weiteren Weg in die Stadt ausfindig machen. An dieser Stelle erreichte mich eine erste erfreuliche Mitteilung von Norbert, dass unser „Parallel Variable Elimination on CNF Formulas” für den Best Paper Award auf der KI 2013 nominiert worden war. (Hat leider nicht geklappt, aber das wär auch etwas zu viel gewesen.)

Nach einigen Umwegen kam ich dann am Flughafen Bahnhof an, wo ich ein Semester-Ticket löste und mich dann in den Zug nach Birmingham New Street setzte. Nach dem Verlassen des Bahnsteigs muss man das Ticket nocheinmal vorzeigen und dass war dann letzte Mal dass ich dieses Ticket bewusst in den Händen hielt.

Ein Kanal unweit von Hatters Hostel.
Ein Kanal unweit von Hatters Hostel.

Es ging weiter zum Hatters Hostel in der Livery Street, etwa 10-15 Minuten zu Fuß durch das Zentrum. Hier checkte ich mich für eine Woche ein — in meinem 6-Bett Dormitory waren außer mir noch

zwei Spanier — und machte mich dann auf den Weg, um das für einen Informatiker wichtigste zu besorgen: genau einen UK-Steckdosen-Adapter. Nachdem ich vom Maplin (das ist vom Preis und der Aufmachung wohl das britische Conrad-Äquivalent) zurückgekehrt war und noch einen Abstecher zum Tesco um die Ecke machte, stellte ich fest, dass mein Semester-Ticket fehlte. Glücklicherweise wird es mit einem personalisierten Formular ausgegeben, mit dem man ein Ersatzticket beantragen kann. Trotzdem ist es natürlich extrem ärgerlich — aber sowas musste mir ja auch mal passieren.

Um mich nicht länger zu ärgern, beschloss ich eine Runde joggen zu gehen und dabei einen Teil der Stadt zu erkunden. Ich rannte in nordwestliche Richtung und es sah alles sehr ähnlich aus — nur liefen nach einiger sehr viele Menschen nahöstlicher Abstammung herum. Auch gab es fast nichts grünes hier, dafür aber sehr viel Verkehr. Egal, zumindest das Laufen zeigte seine stressreduzierende Wirkung.

THE FLAPPER.
THE FLAPPER.

Am Abend ging ich mit einer Gruppe vom Hostel zum Pup Quiz in „THE FLAPPER“ wo mein Team recht lang auf Platz 2 lag, aber in der zweiten Hälfte deutlich zurückfiel.

Der Kanal im Bereich des Zentrums.
Der Kanal im Bereich des Zentrums.

Am Freitag reichte ich den Ersatz-Ticket-Antrag ein, lief an einem sehr netten Kanal bis zur Universität, und begann am Nachmittag mit der Zimmersuche. Die Anrufe verliefen ungefähr so: "... I'm looking for a short term letting." "Sorry I don't do short-term...". Eine junge Frau im Hostel, die sogar nur für einen Monat suchte, hatte bereits frustriert aufgeben. Aber dann hatte ich bei Mr. Zareian Glück, der mir für Freitag Abend 19:00 Uhr eine Besichtigung in Selly Oak anbot.

Ich packte also schnell meine Sachen zusammen, aß etwas, und machte mich auf den Weg. Es war eines der typisch englischen Reihenhäuser.

Hier wohne ich nun.
Hier wohne ich nun.

Während ich vor der Tür wartete, kam eine Frau, die sich mit „Dora“ vorstellte, aus Griechenland kam, und als PhD Studentin hier anfangen werde. Auch sie hatte eine Verabredung mir Mr. Zareian, der kurze Zeit später aus dem Haus kam und uns selbiges zeigte. Mein Zimmer war beschaulich, der Zustand deutlich unter deutschen Verhältnissen, aber ich war froh eine bleibe für 65 Pfund die Woche zu haben.

Ich begab mich zurück zum Hostel, wo ich noch eine Nacht schlief um am nächsten Morgen die im Voraus bezahlte Woche teilstornierte. Dann hieß es Sachen packen und auf nach Selly Oak. Am Nachmittag ging ich wieder in die Uni,

Blick auf einige Gebäude des Campus.
Blick auf einige Gebäude des Campus.

die jetzt weniger als 15 Minuten zu Fuß entfernt ist, um meinen Studentenausweis abzuholen. Der ist im Gegensatz zum dresdner Gegenstück eine Plastikkarte im Chipkartenformat, ausgestattet mit einem Barcode für die Bibliothek und noch einem Magnetstreifen, mit dem beispielsweise die PC-Pools der Informatikfakultät speziell nur Informatikstudenten zugänglich gemacht werden.

Ich probierte noch irgendwie Eduroam mit WICD zum laufen zu bringen, was leider trotz Unterstützung IT Service Desk Mitarbeiter auch in den nächsten Tagen erfolglos bleiben sollte. Also machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Zimmer das leider noch ohne Internet war. Dafür traf ich Rudi, einen aus dem äußersten Westen Deutschlands stammenden BWL/VWL Studenten, der auch den Autumn Term in Birmingham studieren wird und in der Zwischenzeit in ein weiteres Zimmer des Hauses eingezogen war. Nach kurzem Kennenlernen und weiterer Rücksprache mit Mr. Zareian bestellten wir noch schnell Breitband-Internet, dass hier über so eine Art Koax-Kabel ins Haus kommt. Da der Verkäufer gerade mit seiner Familie einkaufen war, vereinbarten wir einen Termin für den nächsten morgen. (Wohlgemerkt es ist Samstag Abend 18:30 Uhr.) Ein kurzer Einkauf im Sainsbury's brachte uns dieses Bier (4 Dosen für 1 Pfund)

Das gute Sainsbury's Basics Lager.
Das gute Sainsbury's Basics Lager.

und allerhand Haushaltsequipment um das doch etwas schmutzige Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Achso, das Bier hat zwei Umdrehungen und schmeckt entsprechend.

Sonntag 9:30 Uhr klopfte es dann an der Tür (hier gibt es keine Klingel, sondern nur einen Klopfer) und Kally kam mit dem Router und den Vertragsunterlagen vorbei. Es dauerte alles eine Weile, aber dann war alles unter Dach und Fach und der Router angeschlossen. Zwar gab es Startschwierigkeiten auf technischer Seite, aber am frühen Nachmittag stand die Internetverbindung.
In der Zwischenzeit hatte sich eine länger durch Laufen in Schach gehaltene Erkältung dann doch durchgesetzt, weshalb ich am Nachmittag nur noch mal kurz zur Uni ging, um noch einige spezielle Immatrikulationsbescheinigungen zu holen, die man hier für die Behörden braucht. Besonders auffällig waren die „Freshers“ (englischer Ausdruck für Erstie), die häufig mit ihren Eltern über den Campus herumliefen. Des Abends kochten wir dann noch im Haus zusammen Pasta.

Nun begann also endlich die Einführungswoche. Montag um 9:00 Uhr gab es erstmal eine langweile Einführungsveranstaltung, bei der ich die Hälfte der mitgeführten Taschentücher verbrauchte. Apropo Taschentücher: In Großbritannien gibt es diese fast nur in den großen Pappboxen zu kaufen, wo man die eins nach dem anderen rausziehen kann. Das klassische 10er Pack hingegen gibt es im Aldi z.B. für 19 Pence oder zehn mal zehn Taschentücher für knapp zwei Pfund.

Nachdem Rudi mir am morgen noch gesagt hatte, dass er in seiner Fakultät bestimmte Veranstaltungen hat, dachte ich mir, ich könnte mich ja hierzu auch mal erkundigen, fand aber keine. Dies lag daran, dass es an der „School of Computer Science“ keine zehn Austauschstudenten gibt. Ich sagete mir, es könnte trotzdem nicht schaden, mal irgendjemand zu fragen und ging ich zu Bernd Bohnet, dem Erasmus-Koordinator der Fakultät. Wie der Name vielleicht vermuten lässt, ist dieser ein Deutscher, was die Kommunikation etwas erleichterte, deren Hauptinhalt war: „Mach wozu du Lust hast!“ Ich beschloss mich an die Fresher-Events der Computer-Science-Studenten zu halten, wo bekanntermaßen häufig Stundenten älterer Semester mitwirken, um vor allem  diese kennen zu lernen. Diese Einführungen begannen aber erst am Dienstag, so dass ich ob der Erkältung auf den Heimweg machte.

Auf dem Rückweg ging ich kurz beim Aldi vorbei, weil da der direkt-gepresste Orangensaft billiger ist als im Sansbury's. Dort gibt es aber auch 16 Stück „Cold Relief Capsules“ (Paracetamol, Koffein, Phenylephrin) für 55 Pence. Da ich keine Lust hatte weiter krank zu sein, nahm ich eine Schachtel mit, die auch bald ihre Wirkung zeigte.

Das dienstägliche Fresher-Event bestand zuerst aus einer recht lustigen Ansprache von irgendeinem Prof, dann gab es eine Schatzsuche über den Campus, eine Ansprache im großen Festsaal der Universität vom College-Leiter und später noch Registrierungen im Informatik-Pool. Ansonsten nutze ich die Zeit auch, um mir einen Überblick über die Module und zugehörigen Zeiten zu verschaffen, und passende Mathe-Kurse herauszusuchen.

Das Koffein der Cold Relief Capsules zeigte besonders am frühen Mittwoch morgen seine Wirkung, und ließ mich ab 4:00 Uhr nicht mehr so recht schlafen. Ich nutzte die Möglichkeit mich über die Kletterangebote der Uni zu informieren und fand heraus, dass diese vor allem Mittwoch Nachmittag stattfinden würden und alle zwei Wochenenden für wenig Geld verschiedene Orte in ganz Großbrittanien angefahren werden. Später machte ich mich auf den Weg zur Verkehrverbundzentrale um mein Ersatzticket abzuholen; der Zug dorthin hatte 15 Minuten Verspätung. Überhaupt ist hier in etwa jeder Zug verspätet, was mir mit dem maroden, in den 80-er Jahren privatisierten Schienennetz erklärt wurde.

Zurück in der Uni statte ich auch mal der Bibliothek einen Besuch ab und lieh mir „Basic Category Theory for Computer Scientists“. Von den Mathematikern trudelte anschließend die Erlaubnis ein, dass ich die gewünschten Module belegen darf. Ich puzzelte also den Stundenplan zusammen und kam schließlich kamen diese Fächer dabei heraus: Neural Computation, Machine Learning, Compilers & Languages, Principles of Programming Languages, Advanced Topics in Combinatorics sowie Computability & Logic.

Von der Computer Science Societey gab es am Nachmittag ein Social Event, was daraus bestand, zunächst eine Stunde vor der Fakultät zu warten. Hier lernte ich dann in Person von Pauline aus Lyon ein Exemplar Erasmus-Student von meiner Fakultät kennen. Ansonsten unterhielt ich mich mit Merlin (dem Zauberer) aus Essex, den ich wohl auch beim Klettern treffen werde, und der mir die englischen Bezeichnungen für Sicherungsgeräte beigebracht hat. Wir fuhren irgendwann mit der Bahn ins Zentrum zu einem All-You-Can-Eat-Chinesen — es gab veganes Essen, aber, und da waren sich auch alle anderen einig, es war zwar viel da,  sonderlich gut hingegen war es nicht.

Eine Eisenbahnbrücke in Selly Oak.
Eine Eisenbahnbrücke in Selly Oak.

Als ich in Selly Oak ankam, stand Andrea ♂ aus Italien vor der Tür und Mr. Zareian schlug ebenfalls auf. Andrea guckte sich das verbleibende Zimmer an und nahm es; somit sind wir nun vollständig. Ich entfette anschließend noch ein bisschen die Küchenschränke während Dora das Bad mit viel Chlorreiniger reinigte um den muffigen Geruch zu bekämpfen. Was soll ich sagen, es riecht jetzt vorallem nach Chlor, morgen weiß ich mehr.

Soviel für die ersten sieben Tage. Ich weiß dass hier sehr viel belangenlose Sachen durcheinander gewürfelt wurden, aber so fiel es mir eben während des Aufschreibens ein. EDIT: Nachdem mich Timo auf einige Ungereimtheiten im Satzbau hinwieß, habe ich nochmal korrekturgelesen, und hoffe das Sprache nun passabel ist.