Mittlerweile weile ich wieder in Dresden. Ich habe meine letzte Basismodulprüfung hinter mich gebracht und habe nun Zeit um Neues auszuprobieren. Ich mich durch „Parallel and Concurrent Programming in Haskell“ von Simon Marlow um endlich die viel gelobten Parallelisierungsfeatures von Haskell zu erlernen. Tatsächlich lässt sich hier dank guter APIs und dem Runtime-Environment in datenparallelen Szenarios mit wenig Aufwand viel erreichen, aber dazu eventuell später mehr.

Ich beschäftigte mich in den letzten Tagen wieder mal vermehrt mit Datenschutz, Informationeller Selbstbestimmung und solchen Dingen. Dabei stand am Anfang der Woche folgender interessanter Vortrag von Evgeny Morozov auf der DLD Konferenz. Er kritisiert darin eine Einstellung die er „Solutionism“ nennt und besonders in den Eliten der IT-Community des Silicon Valleys gegenüber ausmacht. Eine zu hohe Erwartung der Technologie gegenüber. Auf persönlicher aber auch gesellschaftlicher Ebene wird die Verantwortung den Apps oder Technologien zugeschoben. Dadurch werden politische Lösungen für Probleme in den Hintergrund gerückt oder ganz ausgeklammert. Beispiele dafür sind (nicht für alle davon gibt es politische Lösungen, dafür aber sicherlich andere): FitnessApps um Gesund zu sein, FahrplanApps um Pünktlich zu sein, Bildungsportale, Verschlüsslungs um sicher zu sein, KartenApps um den Weg zu finden, Wahl-o-Mat um sich politisch zu entscheiden, DatingApps um Partner zu finden, Klima/ CO2-Apps zum Klimaschutz. Problematisch sind einerseits die überhöhten Erwartungen an das „Heil“ aus der Technik. Andererseits ist diese Technologie oft in Händen großer Konzerne, welche marktkomform operieren und im Endeffekt weniger eine Verbesserung oder Demokratisierung der Welt sondern eine Steigerung ihres Profits als Ziel haben. Also: Die Technologie wird überschätzt und ist, aus einer Perspektive in der das Gemeinwohl im Zentrum steht, im Besitzt und unter der Kontrolle der falschen.

Image
von inside via stock.xchng

Den nächsten stimulierenden Beitrag lieferten die Live-Sendungen der „Einbruch der Dunkelheit“-Konferenz. Ich lernte zwar nicht viel neues, aber einige interessante Aspekte wurden mir erstmals oder wieder neu bewusst. Zum ersten: Das Internet ist ein Werkzeug, und zwar ein sehr mächtiges das zum guten wie zum schlechten gebraucht werden kann. Dieses Werkzeug ermöglicht es erstmals prinzipiell, dass Menschen überall auf der Welt uneingeschränkt miteinander kommunizieren können. Dadurch werden ganz neue Formen des Wissensaustausch wie die Wikipedia, Internationale Forschung, MOOCs u.ä. möglich, andererseits können sich Menschen in ganz neuer Qualität vernetzten und interessenspezifisch austauschen. Dem einzelnen ist es prinzipiell möglich zu Tausenden oder Millionen zu sprechen, vorbei an jeglicher regulierenden verlaglichen Redaktion oder Zensur. Auch können kleine Gruppen mit den richtigen Kenntnissen mittlerweile großen wirtschaftlichen Schaden durch das gezielte Sabotieren von sensibler Infrastruktur bewirken, die immer öfter mit dem Internet verbunden ist. Sprich, die Macht des individuellen Menschen ist grundsätzlich stark aufgewertet. Es scheint eine logische Gegenreaktion von etablierter bzw. staatlicher Macht diesen neuen Möglichkeiten etwas entgegen zu setzen: Man überwacht die Aktivität im Netz, was als Kehrseite der Möglichkeiten auch wesentlich einfacher zu bewerkstelligen ist als der „analoge“ Raum.

Weniger interessant war das Snowden-Interview und die unpassenderweise vorgeschaltene Jauch-Diskussion.

Ich sah zuletzt noch das Interview von Sascha Lobo bei Jung&Naiv (für mich weniger informativ, illustriert aber für unbedarfte die Überwachungsproblematik gut im Überblick) und den Podcast „Wir müssen Reden“ von mspro und 343max mit Marina Weisband. In der Zeit, in der sie im Vorstand der Piratenpartei aktiv war, habe ich deren politisches Auftreten weniger stark verfolgt und Marina Weisband bisher nur am Rande wahrgenommen. Mir gefällt gut, dass sie ihre politische Linie klar formuliert und ihre Einschätzungen zu diversen Themen sehr differenziert sind. Nachdem ich den persönlichen Werdegang etwas verfolgt habe, überrascht es mich auch nicht mehr dies bei einer Person in ihrem Alter anzutreffen. Neben einem besseren aber auch ernüchternden Überblick zur Lage in der Ukraine und einigem Metatalk zu den Snowden-Enthüllungen, ging es in diesem Gespräch ein auch ein wenig darum, dass etwas getan werden muss. Die Lage in Deutschland ist international einzigartig; wir sind sehr priviligiert. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sowie Datenschutz gelten hier wie fast nirgendwo auf der Welt, allerdings machen wir bei weitem nicht genug Gebrauch von unseren Möglichkeiten (was auch Bruce Sterling auf der „Einbruch der Dunkelheit“ kritisierte). Was können wir tun? Zum einen muss auf politischer bzw. parlamentarischer Ebene gearbeitet werden, wobei hier natürlich das große Desinteresse der Bevölkerung ein Problem ist. Hier muss mit Aufklärungsarbeit geleistet werden. International wäre es wünschenswert, wenn Deutschland und auch die EU ihren internationalen Einfluss geltend machen würden. Durch die volkswirtschaftliche Stärke ist dieser in größerem Maße vorhanden, als gemeinhin angenommen, wenn man sich denn einigen würde.

Angestrebt werden sollte, und dass ein Punkt an dem der einzelne bzw. regionale und kommunale Gruppen auch Einfluss haben, etwas dass sich Dezentralisierung nennt. Die dem Internet zugrundeliegende Netzwerkstruktur ist eigentlich dafür geeignet, dass Daten verstreut über tausende Computer gelagert werden und Verbindungsnetze dezentral gestaltet sind.

Hier kann jeder selbst gucken, wo er seine Daten ablegt z.B. in der Dropbox, der i- oder Amazon-Cloud oder auf einem eigenen Server (sogar mit privater Dropbox-Alternative ownCloud ähnlich komfortabel). Ähnliches gilt für Websiten und Blogs (die nicht auf Wordpress.com oder Blogster.com gehostet werden müssen!), Email-Provider (statt GMail, Yahoo, GMX.de oder Web.de kann man hier als ersten Schritt z.B. zu posteo wechseln, einen hosted-Mail-Service buchen oder gar einen eigenen Mail-Server betreiben). Weiter geht es mit der Software die man zur Kommunikation nutzt: Sind das Skype, Facebook-Chat, (ICQ für die ewiggestrigen^^) oder Whatsapp? Oder freie, am besten verschlüsselte Alternativen wie Jabber, IRC zum Chatten, SIP basiertes VoiP, jitsi, mumble oder palava zur Telefonie. Letzten Endes kann man auch einfach mailen. Natürlich muss man das nicht selbst machen, man könnte sich auch mit ein paar Leuten zusammen tun und z.B. einen vServer mieten, dass senkt die Kosten und den Aufwand für den einzelnen. Und verschlüsselte Emails und vielleicht auch Festplatten sollten heute eigentlich auch kein Problem mehr sein. TOR zu nutzen ist ebenfalls nicht schwer. Allerdings sind all diese Vorschläge mit einer Änderung des gewohnten Verhaltens und initialem Konfigurationsaufwand verbunden; sie sind oft weniger bequem und was die Kommunikation angeht funktionieren sie nur, wenn mein Gegenüber auch mit macht.

Eine Idee wäre es dann noch, den bisher nicht vorhanden Glasfaser-Ausbau in Deutschland als Chance zu nutzen, die Netzinfrastruktur zu dezentralisieren. Wie wäre es eigentlich, wenn es für jeden Stadtteil eine Genossenschaft gäbe, in welcher die Anwohner die letzten Kilometer des Netzes bis zur Haustür selbst besitzten. Leider kann ich es mir nicht vorstellen, was der Ausbau für einen Straßenzug kostet und ob die benötigte Summe pro Person realisierbar wären. Andererseits werden Tief- und Straßenbaumaßnahmen meines Wissens jetzt schon zum Teil auf die Anwohner umgelegt. Wenn die Genossenschaft das Netz betreibt, sind die Techniker auch den Genossenschaftlern, also den Benutzern vor Ort Auskunft zu Rechenschaft verpflichtet, was ich ganz gut fände. Leider skaliert das nicht ganz so schön für Backbone Netze, aber hier könnten sich z.B. Bund und Länder engagieren.

Und dann gibt es noch das Freifunken, die freie WLAN-Netze auch in Dresden betreiben, hier leider mit recht geringer Abdeckung. Aber einen entsprechenden Router aufzustellen ist eigentlich nicht schwer und auf jedenfall viel einfacher (aber weniger langfristig) als in eine Glasfaser-Genossenschaft zu gründen.

So und nun zum Titel. Die Tage habe ich seit längerem mal wieder was bei Ebay ersteigert. Ich wollte wie gewohnt mit PayPal bezahlen, um diesen Kundenschutz zu genießen. Da ich letztens mal die Bank gewechselt habe, musste ich erst noch schnell das Konto umstellen und die Aktivierung mittels Code im Überweisungsbetreff abwarten. Ok, am nächsten Werktag dachte ich, jetzt kann ich die Bezahlung endlich absenden, doch nun meldete Paypal nur, dass momentan keine Zahlungen von meinem Konto vorgenommen werden können. Nun gut, ich meine ich habe gerade nicht so viel zu tun, also kann man ja mal den Kundenservice besprechen. Der erzählte mir, nach einer kurzen Wartepause und eine Weiterleitung und einer weiteren Wartepause, dass PayPal auffälliges Verhalten erkennt und dann Zahlungen ganz im Sinne des Kunden automatisch verhindert. Auffällig war ich wohl, weil ich seit einiger Zeit TOR benutze und meine IP-Adresse für PayPal deshalb wohl zu häufig wechselt und überhaupt einsschlägig bekannt ist. Aber auch ohne TOR bekam ich die selbe Meldung, die wie ich finde auch etwas aussagekräftiger sein könnte. Einige Online-Recherchen brachten zu Tage, dass PayPal wohl gezielt bestimmte Proxy- und VPN-Provider geblacklistet hat. Heute, habe ich noch mal ein Kabel auf Ebay gekauft und nochmal (ohne TOR) probiert zu bezahlen, was wieder nicht klappte. Ein Zahlungsdienst der seinen Kunden derart gängelt und nicht funktioniert wenn man ihn braucht, disqualifiziert sich eigentlich selbst. Naja, da man ohnehin nicht alle Informationen zu Online-Zahlungen mit einem US-amerikanischen Unternehmen teilen muss, ist die Konsequenz wohl mein PayPal-Konto zu löschen. Nur, womit in Zukunft im Internet bezahlen? Sofort-Überweisung u.ä. Dienste, Kreditkarte, Bit- / Lite- / Dodge- Coin,… Kennt jemand eine brauchbare und verbreitete Alternative?

Meine Agenda für die kommende Zeit wird das Einrichten eines vServers mit Mail und Webserver, Git-Repos für Backups, evtl. ownCloud, Tüfteln mit Asterisk für verschlüsselte SIP-Telefonate und eventuell ein Freifunkrouter der die Straßenbahnhaltestelle vor meinem Fenster mit WLAN abdecken könnte. Sind das nicht „solutionistische“ Ansätze? Nein, denn hier wird nicht noch bessere Technik zum Lösen von Problemen eingesetzt, sondern bereits genutzte Technologie unter die eigene Kontrolle gebracht. Längfristig müssen aber auch politische Lösungen entwickelt werden, wobei ich noch darüber nachdenke wo meine Rolle dabei sein kann.